Terhardt, E. (1975). Die Stimmung von Tasteninstrumenten. Instrumentenbau Z. 29, 361-362
Es wird über die physikalischen und psychoakustischen Effekte berichtet, welche die Stimmung von musikalischen Tonskalen beeinflussen. Dazu gehören in erster Linie Schwebungseffekte (Schwankung, Rauhigkeit) und Tonhöhenverschiebungen. Aus den Gehöreigenschaften folgt, daß grundsätzlich eine flexible, das heißt, fortlaufend dem musikalischen Geschehen angepaßte Stimmung wünschenswert wäre. Dies ist bei konventionellen Instrumenten kaum realisierbar, wohl aber bei elektronischen. Die Stimmung des Klaviers ist in ihrer gegenwärtigen Form (d.h., Spreizung aufweisend) wahrscheinlich optimal. Da beim Zustandekommen der Klavierstimung die Inharmonizität der Saiten-Obertöne eine wichtige Rolle spielt, wäre es wahrscheinlich unzweckmäßig, den Klaviersaiten diese Eigenschaft zu nehmen, selbst wenn dies technisch möglich wäre. Weiterhin erscheint es möglich, daß bei Orgeln durch Spreizung der Stimmung in Diskant und Baß eine Verbesserung der musikalischen Qualität erzielt werden könnte. Die normale temperierte Stimmung, welche gegenwärtig in den meisten Orgeln jeder Art realisiert ist, kann nach wie vor als brauchbarer Kompromiß angesehen werden. Optimal im Sinne der musikalisch-psychoakustischen Grundforderungen ist diese Stimmung jedoch nicht. Der anzustrebende Kompromiß geht über das Problem der "gleichschwebenden Annäherung" an die reinen Tonintervalle der konventionellen Musiktheorie jedenfalls deutlich hinaus.
This paper reports on physical and psychoacoustic effects which affect the intonation of musical tone scales. Those effects primarily include beat effects (subjective fluctuation, roughness), and pitch shifts. From the auditory behaviour it follows that in principle a flexible intonation is desirable, i.e., an intonation that adapts to the instantaneous musical sounds. This kind of variable intonation can hardly be accomplished in conventional keyboard instruments; however, in electronic instruments it can be implemented. The intonation of the piano in its present form (i.e., showing "stretch") is probably an optimal compromise. As the stretch of the piano tone scale essentially emerges from the inharmonicity of individual strings it would probably be inappropriate to use strings that are totally free from inharmonicity, even if this were physically achievable. It appears that the sound of pipe organs could be improved by a certain amount of tone-scale stretch. The ordinary (i.e., unstretched) tempered intonation, which currently is used in most organs, can still be regarded as a tolerable compromise, though it is not optimal with respect to the basic musical-psychoacoustical criteria. In any case, the compromise of intonation that in keyboard instruments inevitably must be found and tolerated clearly exceeds simple "well-tempered approximation" to the theoretical pure intervals of conventional music theory.